Kopfschmerzen und Migräne bei Kindern

Zahlreiche Kinder leiden unter Kopfschmerzen, man nimmt an, dass bereits im Vorschulalter bis zu 20 Prozent aller Kinder Erfahrungen mit Kopfschmerzen haben.

Bestimmte Kopfschmerzarten wie z.B. die Migräne bestehen nach Beginn im Kindesalter bei bis zu 50 Prozent der Patienten auch im Erwachsenenalter. Chronische Kopfschmerzen müssen deshalb auch schon im Kindesalter frühzeitig, grundlegend und wirksam behandelt werden.

Die Häufigkeit von Kopfschmerzen im Kindesalter hat während der letzten 30 Jahre zugenommen. Im Vorschulalter geht man von einer Häufigkeit von 10 bis 20 Prozent betroffene Kinder aus und bis ins Jugendlichenalter haben bereits fast alle Kinder eine Kopfschmerzepisode durchgemacht. Oft sind es Spannungskopfschmerzen oder sekundäre Kopfschmerzen im Rahmen einer anderen Krankheit, etwa 12 Prozent der Kopfschmerzen sind Migräne und bis zu 30 Prozent der kindlichen Kopfschmerzen sind nicht eindeutig zuordenbar.

Nach den Vorschlägen der International Headache Society (IHS) werden bei den primären Kopfschmerzen im Wesentlichen Spannungskopfschmerzen, Migräne mit oder ohne Aura und Kombinationen unterschieden. Unter Spannungskopfschmerz versteht man Schmerzen, die sich langsam aufbauen und diffus über den gesamten Kopf verteilt sind. Darüber hinaus gibt es sekundäre Kopfschmerzen, die andere organische Ursachen haben.

In Frage kommen Infektionskrankheiten, Störungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, Sehfehler, Kopfverletzungen, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, orthopädische Probleme oder Zahnfehlstellungen. Gehirntumore als Ursache von Kopfschmerzen sind sehr selten! Daneben können sich auch Vergiftungen und ungünstige Umwelteinflüsse durch Kopfschmerzen bemerkbar machen.

Der Kopfschmerz verteilt sich meist vom Nacken ausgehend über den ganzen Kopf. Häufig ist er nicht genau lokalisierbar. Die Schmerzen sind nicht so stark wie bei Migräne. Ursache sind häufig Verspannungen der Kopf-, Nacken- und Schultermuskulatur.

Als Migräne bezeichnet man anfallsartige, immer wieder auftretende, pulsierende starke Kopfschmerzen, die meist in einer der beiden Kopfhälften beginnen und sich dann ausbreiten können. Bei einem Migräneanfall verengen sich die Blutgefäße im Gehirn und erweitern sich kurz darauf wieder. Dieser Vorgang ist schmerzhaft. Migräneattacken können sich regelmäßig in kurzen Abständen wiederholen, dann aber für längere Zeit auch vollständig ausbleiben.

Etwa drei Prozent aller Kinder unter sieben Jahren leiden unter Migräne, bei 15-jährigen Mädchen steigt der Anteil auf bis zu 15 Prozent. Ein Migräneanfall kann wenige Stunden, aber auch tagelang dauern. Die Ursachen sind nicht genau geklärt, es gibt jedoch Hinweise auf eine familiäre Veranlagung.

Als Aura wird der Zustand bezeichnet, der meist vor einer Migräne-Attacke auftritt, aber auch über längere Zeit anhalten kann und durch Empfindungen wie Lichtblitze, Gerüche, Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen, Benommenheit und Sprachstörungen gekennzeichnet ist.

Im Anfall kann es zu Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit und Kreislaufschwäche kommen, etwa 40 Prozent der Kinder werden während der Anfälle zusätzlich von Bauchschmerzen geplagt. Früher wurde diese Migräneform auch als „Migraine accompagnè“ bezeichnet. Auch Schwindelanfälle können ein Hinweis auf Migräne sein.

Von einer abdominellen Migräne – also einer Migräne des Bauchraums – spricht man, wenn Kinder mehrmals im Jahr über Bauchschmerzen ohne fassbare Ursache klagen. Eine Studie der Universität Aberdeen hat 54 Kinder mit unklaren Bauchschmerzen beobachtet und bei vielen Kindern später typische Migräne-Kopfschmerzen festgestellt.

Typische Auslöser sind Wetterwechsel, Stress und Belastungssituationen, Ängste, bestimmte Speisen oder veränderte Schlafgewohnheiten. Verschiedene Erkrankungen wie Erkältungen, Kopfverletzungen, Gehirnhautentzündungen, Zahnprobleme, Entzündungen der Nasennebenhöhlen oder des Mittelohrs oder Sehfehler können zu Kopfschmerz führen. Überforderungen wie etwa Schulstress können zu einer Verspannung der Muskulatur speziell im Schädelbereich führen.

In der Regel ist eine ausführliche Anamnese, also eine Erhebung der Symptome, und eine genaue kinderneurologische wie kinderpsychologische Untersuchung für eine Diagnose ausreichend. Erster Schritt ist ein Kopfschmerztagebuch, das Kind und Eltern getrennt über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen führen sollten. Folgende Fragen sollten beantwortet werden:

  • Wann treten die Kopfschmerzen auf?
  • Wie lange halten sie an?
  • Wie stark sind die Schmerzen?
  • Wurden Medikamente gegeben und waren andere Symptome vorhanden?

Es gibt keine speziellen Laboruntersuchungen, um beispielsweise Migräne zu diagnostizieren. In bestimmten Fällen kann ein EEG oder eine Bildgebung, z.B. eine Magnetresonanzuntersuchung, erforderlich sein, um eine mögliche organische Ursache auszuschließen. Weitere Untersuchungen bei anderen Fachärzten (z.B. beim Augenarzt, Orthopäden oder HNO-Arzt) oder in sehr seltenen Fällen auch eine Punktion zur Untersuchung auf Borreliose können notwendig sein. Chronische Kopfschmerzen können auch von einer physikalisch-medizinischen Diagnostik zur Beurteilung der Wirbelsäulengelenke profitieren.

Ausschlaggebend für die Therapiebedürftigkeit ist der mit den Kopfschmerzen verbundene Leidensdruck. Wenn die Kopfschmerzen sehr häufig auftreten, stark sind bzw. lang anhalten, zu wiederholtem Schulausfall und regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme führen, ist eine gezielte Behandlung erforderlich.

Häufig helfen schon reizabschirmende Maßnahmen wie Hinlegen in einen abgedunkelten, rauchfreien und ruhigen Raum. Ein kühler Umschlag auf der Stirn unterstützt gut, vorsichtiger Druck auf die Schläfen oder Stirn kann helfen. Fragen Sie ihr Kind, was es mag. Wenn die Symptome durch das Hinlegen gemildert werden, sollte man versuchen, ohne Schmerzmittel auszukommen.

Zur medikamentösen Akutbehandlung steht mit Ibuprofen (Nureflex ®) ein gut verträgliches Medikament zur Verfügung. Für die Behandlung von Übelkeit ist Motilium ® (Wirkstoff: Domperidon) oder Zofran ® mit dem Wirkstoff Ondansetron gut geeignet. Darüber hinaus kann ab dem Volksschulalter der Wirkstoff Ergotamintartrat (Avamigran ®) gegeben werden.

Eine weitere Perspektive für Kinder ab 12 jahren stellen die so genannten Triptane dar. Hier kann das Präparat Sumatriptan (Imigra®) als Nasenspray (10 bis 20 mg) verabreicht werden. Über 70 Prozent der Kinder profitierten in einer Studie innerhalb von 30 bis 120 Minuten.

Auch viele alternative Behandlungsmethoden sind sehr erfolgreich, wie z.B. Akupunktur und Homöopathie und auch die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Eine unkontrollierte Selbstbehandlung oder gar Schmerzmittelmissbrauch sollten unbedingt vermieden werden!

Medizinisches Cannabis
Die medizinische Verwendung von Cannabinoiden wurde bei Erwachsenen für zahlreiche Indikationen untersucht, eine kritische Bestandsaufnahme hat auch eine moderate Evidenz für den Einsatz bei chronischen Schmerzen bei Kindern ergeben. Die Hauptwirkstoffe der Cannabispflanze sind CBD (Cannabidiol) und THC (Tetrahydrocannabinol). Die aktuelle Datenlage zum Einsatz von Cannabinoiden bei Kindern ist nach wie vor lückenhaft und die Verwendung als Therapeutikum wird sehr zurückhaltend empfohlen.

Die weit verbreitete Verwendung von Cannabis als Rauschmittel trotz der Einstufung als illegale Droge seit 1962 hat dazu geführt, dass die Beurteilung und Bewertung des medizinischen Nutzens von Cannabinoiden nach wie vor ein sehr stark tabuisiertes Thema darstellen, vor allem was den Einsatz bei Kindern betrifft. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass ein kontrollierter Einsatz für einzelne Indikationen unter strikter ärztlicher Aufsicht hilfreich sein könnte.

Zur Vorbeugung wie auch Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne haben sich verschiedene psychotherapeutische Verfahren bewährt. Erfolgreiche psychotherapeutische Ansätze sind einerseits Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Biofeedback-Verfahren und auch Verfahren, die auf äußere und innere Konflikte, die Spannungen erzeugen, eingehen.. Die Einbeziehung der Eltern stellt einen wichtigen Bereich dar.

Kinder mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit können an Kopfschmerzen leiden, manchmal verbunden mit Bauchschmerzen, Durchfall, Verhaltens- und Konzentrationsstörungen sowie Hautausschlägen. Oft besteht zudem eine Unverträglichkeit von Lebensmittelzusatzstoffen. Allergietests sind in der Regel nicht geeignet, eine bestehende Unverträglichkeit ausreichend genau zu diagnostizieren.

Bei hartnäckigen Kopfschmerzen empfiehlt es sich, folgende Nahrungsmittel für etwa vier bis sechs Wochen zu vermeiden: Kuhmilch, Lebensmittelfarbstoffe, Konservierungsstoffe, Schokolade, Weizenmehl, Eier, Käse, Tomaten, Fisch, Schweinefleisch und auch Soja. Anschließend sollte ein etwaiger Erfolg genau überprüft werden. Eine bis zu 50-prozentige Erfolgsrate wurde in medizinischen Studien berichtet, vor allem bei Migräne.

Mögliche Auslöser von Kopfschmerzen wie übermäßiges Fernsehen, Computerspiele, Süßigkeiten und unkontrollierte Belastungen sollten möglichst vermieden und für ausreichend Schlaf gesorgt werden. Leichter Ausdauersport wie Radfahren oder Schwimmen ist zu empfehlen. Wichtig sind ein geregelter Tagesablauf und eine gesunde und ausgewogene Ernährung.

Eine medikamentöse Dauerbehandlung zur Vorbeugung gegen Migräne ist auch bei Kindern grundsätzlich möglich. Bei gehäuften Migräneattacken ist die medikamentöse Vorbeugung wirksamer und gesünder als die wiederholte Einnahme von Schmerzmitteln. Im Einzelfall kann medikamentös zur Vorbeugung in schweren Fällen (z.B. häufiges Auftreten, sehr starke Schmerzen, lange Anfallsdauer oder fehlende Wirksamkeit von Schmerzmitteln) der Wirkstoff Metoprolol (Beloc®) oder Flunarizin (Amalium®) vorbeugend unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden. In Einzelfällen werden auch Antiepileptika wie Valproinsäure (z.B. Convulex®) verabreicht. Eher abzuraten ist von einer vorbeugenden Behandlung mit Serotoninantagonisten wie Pizotifen (z.B. Sandomigran®) oder Dihydroergotamin (z.B. Dihydergot), weil diese Wirkstoffe nicht ausreichend für eine Anwendung bei Kindern dokumentiert sind. Pestwurzextrakt mit 2 x 2 Kapseln pro Tag kann hilfreich sein.

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