Frühgeborene Babys

Eine Schwangerschaft dauert üblicherweise 40 Wochen (280 Tage nach der letzten Regelblutung), von einer Frühgeburt spricht man bei der Geburt eines Kindes vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche, als Untergrenze für das Überleben gilt heute die Vollendung der 23. Schwangerschaftswoche.

Die Frühgeburtenhäufigkeit liegt etwa bei fünf bis acht Prozent aller Geburten, wobei sich die Anzahl der frühgeborenen Kinder in den letzten Jahren erhöht hat. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Fortschritte in der Neugeborenenmedizin und die bessere Vorsorge in der Schwangerschaft ermöglichen auch kleinen Frühgeborenen das Überleben, Mehrlingsschwangerschaften nehmen durch den Einsatz der künstlichen Befruchtung zu.

Je unreifer ein Kind geboren wird, desto niedriger ist seine Wahrscheinlichkeit, zu überleben, und desto höher sein Risiko, unter Umständen einen bleibenden Schaden davonzutragen.

Als Ursache kommen sowohl Erkrankungen der Mutter und/oder des Kindes, Veränderungen der Gebärmutter oder der Plazenta, Infektionen und auch andere äußere Einflüsse aus dem psychosozialen Sektor, wie beispielsweise schwere körperliche Arbeit, starkes Rauchen und vermehrter Alkoholkonsum, eventuell bestimmte Parodontose-Bakterien oder ungewohnte klimatische Verhältnisse, z.B. bei Reisen oder Umzügen, in Frage.
Im Einzelfall ist die zugrunde liegende Ursache oft nicht zu klären, dennoch sollte immer nach den auslösenden Faktoren gesucht werden, da das Risiko nach einer Frühgeburt bei einer späteren Schwangerschaft eine weitere Frühgeburt zu erleiden, um bis zu 25 Prozent erhöht sein kann.

In verschiedenen Studien haben sich folgende Risikofaktoren gezeigt:

  • Mütterliche Risikofaktoren: Lebensalter der Mutter unter 18 Jahren und älter als 30 Jahre, Erstgebärende, bereits eine Frühgeburt vor der jetzigen Schwangerschaft, körperliche Belastung, schlechter Ernährungszustand oder niedriges Körpergewicht der Mutter (unter 55 kg), bestehende Erkrankungen bei der Mutter wie Diabetes, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen oder Schilddrüsenfunktionsstörungen, Gestosen (also verschiedene Krankheitsbilder, die durch die Schwangerschaft hervorgerufen werden können, z.B. Bluthochdruck), Präeklampsie (schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck), starker Nikotinkonsum oder Alkoholkonsum, akute Infektionserkrankung, Gebärmutteranomalien wie beispielsweise eine Scheidewand in der Gebärmutterhöhle, Gebärmuttermyome, Blutungen in der Schwangerschaft, frühere Operationen am Gebärmutterhals, vorausgegangene Schwangerschaftsabbrüche, unzureichender Verschluss des Gebärmutterhalses, vorzeitige Wehentätigkeit.
  • Kindliche Risikofaktoren: Mehrlingsschwangerschaft (höhergradige Mehrlinge wie Drillinge oder Vierlinge werden immer zu früh geboren, da die Mütter in diesen Fällen die Schwangerschaft nicht bis zu Ende austragen können), zu viel Fruchtwasser (Polyhydramnion), vorzeitige Lösung oder eine Funktionseinschränkung des Mutterkuchens, veränderte Lage des Mutterkuchens (Placenta praevia), vorzeitiger Blasensprung, Fehlbildungen.

Charakteristisch ist das vorzeitige Einsetzen der Wehentätigkeit, viele Frauen berichten in diesem Zusammenhang über ein Ziehen im Kreuz. Meist kommt es zusätzlich zu einem vorzeitigen Blasensprung. Der Muttermund kann bei der gynäkologischen Untersuchung bereits eröffnet sein. Oft ergeben sich aus dem Gespräch mit der Schwangeren und der Untersuchung auch Hinweise auf eine mögliche Ursache.

Wichtig ist vor allem, Gefährdungen so früh wie möglich im Schwangerschaftsverlauf zu erkennen. Ganz besonders soll auf die Wichtigkeit der Durchführung der Vorsorgeuntersuchungen des Mutter-Kind-Passes hingewiesen werden!

Jede Frau mit einer drohenden Frühgeburt sollte ein Krankenhaus aufsuchen. Der Geburtshelfer muss sich durch die Untersuchung von Mutter und Kind vom Zustand beider Patienten überzeugen. Wenn es dem Kind trotz drohender Frühgeburt gut geht, sollte versucht werden, die Schwangerschaft zu erhalten. Zu empfehlen ist Bettruhe, entweder in Seitenlage oder mit erhöhtem Becken, um den Druck auf ein Nervengeflecht im Becken zu reduzieren und die Wehen zu unterbrechen. Die Wehentätigkeit kann auch medikamentös (mit Beta-Adrenergika und Prostaglandin-Inhibitoren) gehemmt werden.

Gleichzeitig kann Magnesium gegeben werden. In vielen Fällen empfiehlt sich die Gabe von Kortison zur Beschleunigung der Lungenreife beim Kind. Liegt eine Schwäche des Gebärmutterhalses (eine Zervixinsuffizienz) vor, kann mit einer Cerclage der Muttermund mechanisch verschlossen werden. Um die Frühgeburt zu verhindern, sollten eventuell vorbestehende mütterliche Erkrankungen therapiert und eventuelle Infektionen am Muttermund mit Antibiotika behandelt werden. Ob ein Baby in der 25. oder in der 28. Schwangerschaftswoche geboren wird, macht einen gewaltigen Unterschied aus.

Bei drohender Gefahr für das ungeborene Kind muss die Schwangerschaft rasch beendet werden.

Mit den Fortschritten der Medizin ist es zunehmend besser möglich, frühgeborenen Kindern zu helfen. Die Geburt eines Frühgeborenen sollte nach Möglichkeit in einem „Perinatalzentrum“ erfolgen, wo eine optimale Betreuung für das Frühgeborene durchführbar ist und ein für das Kind belastender Transport entfällt. Günstig ist die Anwesenheit eines Kinderarztes bei der Geburt.

Die Unterbringung des Kindes erfolgt meist in einem Inkubator (Brutkasten), um optimale Umweltbedingungen zu ermöglichen. Störungen der Anpassung des Kindes an das Leben außerhalb des Mutterleibes, z.B. Atmung, Wärmeregulation oder Herzkreislauffunktion, müssen an entsprechend dafür ausgerüsteten Frühgeborenenabteilungen (Neonatologien) behandelt werden. Bis etwa zur 35. Schwangerschaftswoche haben Frühgeborene eine noch nicht vollständig ausgereifte Lunge, eine die Lungenbläschen stabilisierende Substanz, „Surfactant“, wird noch nicht ausreichend gebildet und kann zur Unterstützung zugeführt werden. Besonders Kinder unter 1000 g müssen häufig auch beatmet werden. Nur noch selten kommt es heute durch die Beatmung zur Ausbildung einer chronischen Lungenproblematik. Oft benötigt der Kreislauf medikamentöse Unterstützung. Eine Gefährdung besteht vor allem durch Gehirnblutungen und Lungenfunktionsstörungen, ein erhöhtes Infektionsrisiko, weil die Körperabwehr noch nicht voll ausgebildet ist, und durch Temperaturregulationsstörungen.

Weitere Probleme kann eine entzündliche schwere Darmerkrankung (nekrotisierende Enterocolitis) bereiten.

Ein Frühgeborenes kann von Geburt an fühlen, riechen, sehen, schmecken tasten und natürlich, entgegen früherer Fehlannahmen, Schmerzen empfinden und sie aber schlechter verarbeiten. Daher sollen alle Pflegemaßnahmen möglichst schonend durchgeführt werden, es soll auf eine ausreichende Schmerztherapie geachtet und eine Reizüberflutung der Frühgeborenen durch Reduktion der Geräusche und des Lichtes vermieden werden. Die Eltern sollten frühmöglichst in die Betreuung einbezogen werden und auch selbst in immer mehr Abläufe eingebunden werden. Eine enge Kontaktaufnahme erlaubt die „Kängurumethode“, bei der die Kinder aus dem Inkubator genommen und den Eltern für einige Zeit auf die Brust gelegt werden.

Bei sehr unreifen Säuglingen (v.a. mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 g) ist in der ersten Zeit oft nur eine künstliche Ernährung mit nährstoffreichen Infusionen möglich. Kinder, die noch nicht selbst saugen können (meist vor der 32. Schwangerschaftswoche), werden mithilfe von Magensonden ernährt. Die eigentliche Ernährung beginnt in der Regel mit einer sterilen Glukoselösung, wenn diese vertragen wird, bekommen die Kinder entweder Muttermilch oder eine spezielle Frühgeborenenmilch. Da der Magen Frühgeborener nur ein geringes Fassungsvermögen hat, wird die Nahrung oft auf acht oder mehr Mahlzeiten aufgeteilt.

In der ersten Zeit ist das Abpumpen der Muttermilch (wenn möglich) sehr wichtig, um die Milchproduktion in Gang zu halten. Die Muttermilch für Frühgeborene ist den besonderen Bedürfnissen angepasst und unterscheidet sich z.B. im Eiweißgehalt von der Muttermilch für reif geborene Babys. Zusätzlich kann die Muttermilch für besondere Situationen mit Nährstoffen angereichert werden.

Durch die Fortschritte in der Schwangerenbetreuung, der Geburtshilfe und der Neugeborenenintensivmedizin haben sich in den letzten Jahren die Überlebenschancen besonders von kleinen Frühgeborenen deutlich verbessert. Die Prognose der Kinder hängt von der Schwangerschaftsdauer, dem Geburtsverlauf und eventuellen zusätzlichen Fehlbildungen ab; insgesamt ist aber jede Frühgeburt mit einem höheren Risiko für das Kind verbunden.

Frühgeburten nach 24 Schwangerschaftswochen und später erreichen eine Überlebenschance von 80 bis 90 Prozent; nach der 28. Woche über 95 Prozent. Aufgeschlüsselt nach dem Geburtsgewicht überleben 75 bis 80 Prozent der Frühgeborenen von 500 bis 749 Gramm, 85 bis 90 Prozent der Frühgeborenen von 750 bis 999 Gramm und über 95 Prozent der Frühgeborenen von 1.000 bis 1.500 Gramm. Bei Frühgeborenen mit schweren angeborenen Gesundheitsstörungen muss auf die Art der Fehlbildung bei der Prognose Bedacht genommen werden.

Das Risiko für eventuelle spätere Behinderungen ist für das einzelne Frühgeborene sehr schwer vorherzusagen, jedes Frühgeborene hat seine eigene Geschichte. Besonders gefährdet sind frühgeborene Babys, bei denen im Verlauf weitere Komplikationen wie eine Hirnblutung, schwere Infektionen oder eine chronische Lungenerkrankung auftreten.

Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von 1.000 bis 1.500 g oder von 28 bis 30 Schwangerschaftswochen zeigen in 10 bis 25 Prozent, sehr kleine Frühgeborene unter 1.000 g Geburtsgewicht oder unter 28 Schwangerschaftswochen in 20 bis 30 Prozent der Fälle behandlungsbedürftige Entwicklungsstörungen wie beispielsweise Bewegungsstörungen, Koordinationsstörungen, Krampfanfälle, Blindheit, Taubheit sowie Störungen der geistigen Entwicklung. Etwa ein Drittel der kleinen Frühgeborenen zeigt Verhaltensauffälligkeiten wie eine leichtere Irritierbarkeit, Aufmerksamkeitsstörungen und Probleme im Sozialverhalten.

Bei Frühgeborenen sind bestimmte Hirnregionen noch Jahre nach der Geburt verkleinert, ein Effekt, der bei Buben stärker als bei Mädchen ausgeprägt ist. Frühgeborene Kinder mit einem sehr niedrigen Geburtsgewicht bieten aber im Alter von acht Jahren ebenso gute geistige Leistungen wie der Durchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommen amerikanische Forscher in der Fachzeitschrift JAMA.

Die meisten Frühgeborenen können nach Hause entlassen werden, wenn sie ein Gewicht von etwa 2.000 g erreicht haben, das ist meist um den ursprünglich errechneten Geburtstermin der Fall. Bei den möglichen Problemen in der ersten Phase nach der Entlassung wie Fütterungsschwierigkeiten, Schlafproblemen oder einfach Unruhe, auch bei einer eventuell notwendigen Überwachung durch einen Heimmonitor benötigen die Eltern professionelle Unterstützung. Hauptansprechpartner sollte sicherlich ein Kinderarzt sein, der über entsprechende Erfahrung mit Frühgeborenen verfügt. Alle Frühgeborenen sollten entwicklungsneurologisch nachuntersucht und entsprechend durch Ergotherapie oder Frühförderung unterstützt werden.
Eine spezielle Vorbeugung mit dem Wirkstoff Palivizumab (Synagis) gegen Infektionen mit dem RS-Virus, der für Frühgeborene gefährlich sein kann, wird empfohlen. Dieser Wirkstoff wird im Winter monatlich verabreicht.

Die Eltern

Eltern frühgeborener Kinder sind besonderen Belastungen ausgesetzt. Nicht nur das Kind ist ein Frühchen, die Eltern sind es gewissermaßen auch. Kommt es zu einer Frühgeburt, sind die Eltern noch nicht auf das große Ereignis vorbereitet. Oft ist der "Nestbau" mit allen Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen. Aber vor allem sind sie innerlich noch nicht für die Ankunft des Babys bereit. Die Schwangerschaft bietet üblicher Weise
40 Wochen lang Zeit, in denen sich auch die Eltern auf die Ankunft des Babys einzustellen beginnen. Wird dieser Prozess durch die verfrühte Geburt unterbrochen, ist dies für die Eltern oft ein Schockerlebnis. Sie benötigen Zeit um die verfrühte Ankunft Ihres Kindes tatsächlich zu verarbeiten und wahrzuhaben, dass das Baby nun schon auf der Welt ist.
Neben der Tatsache, dass sie innerlich noch nicht darauf vorbereitet und bereit für das Kind sind, kommen die Erschwernisse hinzu, zum Baby Kontakt und Beziehung aufzubauen und dieses fremde Wesen kennenlernen zu können. Die notwendigen medizinischen Maßnahmen und die Unreife des Kindes, nicht zuletzt das unerwartete Aussehen des Frühchens, erschweren diesen Prozess ungeheuer. Häufig leiden die Mütter unter starken, aber unbegründeten Schuldgefühlen und Insuffizienzgefühlen, da sie es nicht geschafft haben, das Baby ganz auszutragen.
Letztlich kommen zu all jenem noch die großen Ängste und Sorgen hinsichtlich der Entwicklung und möglicher Entwicklungsschäden hinzu, sowie die Sorgen, welche sich aus den schwierigeren Alltagshandlungen, wie Füttern etc. ergeben. Letztlich sind unreife Babys auch viel schwieriger zu beruhigen und leichter zu irritieren. Nicht selten reagieren besonders die Mütter, aber auch Väter mit depressiver Verstimmtheit, welche die Situation noch schwieriger werden lässt. Scheuen Sie nicht, Unterstützung in Anspruch zu nehmen! Frühförderinnen sind für Frühchen und ihre Eltern ausgebildet. Neben diesen können Sie auch in Einrichtungen für Schreibabys oder Fütterstörungen Unterstützung finden bzw. bei Psychologen/ Psychotherapeuten/ Psychiatern, welche auf Eltern/Säuglingstherapie spezialisiert sind.

Von der Deutschen Impfkommission wird die Impfung eines Neugeborenen nach dem 60. Lebenstag empfohlen; diese Empfehlung gilt auch für Frühgeborene. Ein Kind, das z.B. im siebenten Schwangerschaftsmonat zur Welt gekommen ist, sollte seine erste Impfung also etwa zwei Monate danach, zum Zeitpunkt seiner eigentlichen Geburt, erhalten. Empfohlen wird die Durchführung der Impfungen des aktuell gültigen Impfplanes, der gerade für Frühgeborene mit möglicherweise herabgesetzter Immunabwehr von Bedeutung ist.

Besonders hervorzuheben ist die Impfung gegen Pneumokokken, da gerade Frühgeborene hier einer besonderen Gefahr ausgesetzt sind, und die Vorbeugung gegen RSV-Infektionen. Dabei handelt es sich um eine Virusinfektion, die bei gesunden Säuglingen lediglich eine Bronchitis verursachen kann, bei Frühgeborenen, die vor der 35. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen sind, bei immungeschwächten Kindern und solchen mit Herz- und Lungenerkrankungen aber die Atemwege so stark in Mitleidenschaft ziehen kann, dass ein stationärer Aufenthalt bis hin zu intensivmedizinischer Betreuung notwendig sein kann. In den Monaten zwischen September und April ist das RS-Virus besonders aktiv, die Übertragung findet vor allem durch direkten Kontakt statt. Palivizumab (Synagis) ist ein Medikament, das hier vorbeugend wirken kann. Palivizumab wird während der RSV-Saison einmal monatlich intramuskulär injiziert. Die vorbeugende Gabe von Palivizumab kann die Zahl RSV-bedingter Spitalsaufenthalte deutlich senken.

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