Neugeborenengelbsucht

Bei vielen Neugeborenen fällt in den ersten Lebenstagen eine gelbliche Verfärbung der Haut auf, verursacht durch eine verzögerte Ausscheidung des Bilirubins.

Diese „natürliche“ Neugeborenengelbsucht (Ikterus neonatorum) ist bis zu einem bestimmten Grad völlig ungefährlich und bedarf auch keiner Behandlung.

Dieser Ikterus neonatorum ist das bei weitem häufigste Anpassungsphänomen bei Neugeborenen, wobei bis heute keine endgültige Übereinstimmung besteht, ab welchem Bilirubinspiegel ein Ikterus überhaupt Krankheitswert besitzt. Man erkennt den Ikterus an der unterschiedlich intensiven Gelbfärbung der Haut und der Augen durch die Einlagerung von Bilirubin, mit steigendem Bilirubinspiegel werden viele Kinder auch apathisch und trinken schlecht.

Bilirubin ist ein gelbbrauner Gallenfarbstoff, der ein Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) ist. Dieses Bilirubin wird in der Leber in eine besser lösliche Form übergeführt und zu 99 Prozent von der Leber in den Darm ausgeschieden; Darmbakterien verändern das Molekül noch weiter. Eine Gelbsucht entsteht, wenn die Bilirubin-Konzentration im Blut zu sehr ansteigt; bei Neugeborenen vor allem aus der noch verminderten Fähigkeit der Leber, das entstehende Bilirubin abzubauen.

Erkrankungen, die den Neugeborenenikterus verstärken oder seine Ursache sein können, sind u.a. ausgeprägte Kephalhämatome (Blutergüsse am Kopf), Frühgeburtlichkeit, eine Blutgruppenunverträglichkeit mit dem Blut der Mutter, eine Unterfunktion der Schilddrüse, angeborene Erkrankungen oder bestimmte Infektionen wie Hepatitis.

Ein gewisses Maß an Gelbfärbung tritt bei fast allen Neugeborenen auf. Gestillte Kinder haben in der Regel höhere Bilirubinwerte, trotz der langen Dauer dieser Gelbsucht besteht üblicherweise kein Grund zum Abstillen. Bei stärker erhöhten Werten kann es zum Auftreten von Symptomen kommen. Es fällt eine gelbliche Verfärbung der Haut und der Bindehaut auf, die Babys trinken schlecht, sind apathisch, die Reflexe funktionieren nur abgeschwächt. In der weiteren Folge können sich in überaus seltenen Fällen auch Schäden des Gehirns (Kernikterus) entwickeln. Diese neurologischen Auffälligkeiten kommen bei reifen gesunden Neugeborenen ohne Hämolyse überaus selten vor und weltweit wurden seit Beginn der 90‘er Jahre des letzten Jahrhunderts nur sieben Fälle von Kernikterus beschrieben.

Die Bilirubinkonzentration kann durch eine Blutuntersuchung oder einen Hauttest gemessen werden. Die transkutane Bilirubinbestimmung (Hauttest) ist als Screeninginstrument etabliert, um bei Neugeborenen die Zahl der Blutentnahmen zu reduzieren. Durch die transkutane Bilirubinbestimmung konnte die Zahl kapillärer Blutentnahmen um bis zu 79 Prozent gesenkt werden. Zahlreiche Studien haben eine hohe Korrelation zwischen den Gesamtbilirubinkonzentrationen und den transkutanen Bilirubinwerten nachgewiesen, obwohl beide Methoden unterschiedliche Parameter erfassen: Die transkutane Bilirubinbestimmung misst die Gelbfärbung der Haut, die Laboruntersuchung die Bilirubin-Konzentration im Blut. Unter Umständen sind einige zusätzliche Untersuchungen notwendig, um seltene angeborene Erkrankungen auszuschließen.

Normalwerte bei reifen Neugeborenen:

  • Neugeborene 1. Tag < 4,0 mg/dl
  • Neugeborene 2. Tag < 9,0 mg/dl
  • Neugeborene bis 5. Tag < 15 mg/dl

Die meisten Kinder mit physiologischem Ikterus bedürfen keiner spezifischen Behandlung. Eine gute Stillbetreuung, ausreichende Wärmeversorgung, frühes Füttern und ausreichende Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr wirken sich positiv auf die Bilirubinwerte aus. Häufiges Stillen bzw. ausreichende Milchzufuhr führt zur Anregung des Darmes und damit zu einer schnelleren Ausscheidung des Bilirubins. Viel Sonnenlicht ist auch hilfreich, um den Abbau zu unterstützen.

Das erhöhte Bilirubin lässt sich entweder durch Fototherapie, Blutaustauschtransfusion oder Medikamente zur Induktion der Glukuronyltransferase verringern. Die Fototherapie ist die häufigste Behandlungsmaßnahme auf einer Neugeborenenstation; etwa 50 Prozent der in eine Kinderklinik verlegten Neugeborenen werden damit behandelt. Die Fototherapie ist relativ einfach durchzuführen, vergleichsweise risikoarm und nachweislich wirksam. Bestimmte Wellenlängen im blauen Bereich des Lichtes wandeln das in der Haut vorhandene Bilirubin in wasserlösliche Formen um, die dann mit dem Urin ausgeschieden werden können. Bei sehr schweren Formen des Ikterus oder bei sehr schnellem Bilirubinanstieg kann auch ein Blutaustausch nötig sein.

Gegen den physiologischen Ikterus stehen keine prophylaktischen Maßnahmen zur Verfügung. Jede Änderung des normalen kindlichen Verhaltens, sei es eine herabgesetzte oder schlaffe Muskelspannung, Trinkunlust sowie unerklärliches Schreien, sollte aber jedenfalls Grund sein, das Kind rechtzeitig einem Kinderarzt vorzustellen. Im Fall einer Rhesusunverträglichkeit steht die so genannte Anti-D-Prophylaxe zur Verfügung.

Innerhalb von 24 bis 72 Stunden nach der Geburt eines Rh-positiven Kindes werden dabei der rh-negativen Mutter Anti-D-Antikörper injiziert, um die Gefahr einer verstärkten Gelbsucht bei einer eventuell folgenden Schwangerschaft zu minimieren.

Der physiologische Neugeborenenikterus ist ungefährlich. Ist eine andere Krankheit Ursache für die Neugeborenengelbsucht, so richten sich die Heilungschancen nach der Beherrschbarkeit dieser Erkrankung. Eine sehr hohe Bilirubinkonzentration kann ohne Behandlung aber gefährlich sein.

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