SIDS – der plötzliche Kindstod

Unter der Bezeichnung SIDS fasst man alle plötzlichen und unerklärlichen Todesfälle gesunder Säuglinge ohne erkennbaren Auslöser meist während des Schlafes zusammen, bei denen sich auch nach genauer Untersuchung der Umstände keine Ursache finden lässt. Mittlerweile sind aber dafür eine Reihe von Risikofaktoren bekannt, wie das Schlafen in Bauchlage, bei dessen Vermeidung das Risiko deutlich verringert werden kann.

Die Diagnose plötzlicher Kindstod oder SIDS (Abkürzung für Sudden Infant Death Syndrome) kann nur gestellt werden, wenn alle bekannten und möglichen anderen Ursachen ausgeschlossen worden sind. Daneben gibt es das so genannte ALTE (Apparently Life-Threatening Event, früher auch Near-SIDS), ein durch rechtzeitiges Eingreifen verhinderter Kindstod.

Etwa ein Promille aller Lebendgeborenen sind betroffen, Knaben etwas häufiger als Mädchen. SIDS stellt nach der Neugeborenenperiode die häufigste Todesursache im ersten Lebensjahr dar, wenngleich die absolute Häufigkeit bezogen auf alle Lebendgeborenen gering ist.

In den letzten Jahren ist allerdings ein deutlicher Rückgang durch wirksame Vorsorgemaßnahmen zu beobachten. Noch immer ereignen sich österreichweit aber etwa 40 derartige Todesfälle pro Jahr. Durch die konsequente Vermeidung bekannter Risikofaktoren müsste ein weiterer Rückgang möglich sein.

Besonders häufig betroffen sind Säuglinge zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat und in den Wintermonaten; rund 90 Prozent der Fälle treten im ersten Lebenshalbjahr auf.

Bereits seit mehr als hundert Jahren wird nach den möglichen Ursachen dafür gesucht. Wahrscheinlich sind mehrere Faktoren am Zustandekommen dieses schrecklichen Ereignisses beteiligt. Man vermutet als wichtigsten Faktor eine Unreife des Atemantriebes, die in Verbindung mit anderen Faktoren zum Auftreten von SIDS führen kann.

Die Symptome entsprechen einem Herz-Kreislauf-Stillstand; das Kind wird meist bewusstlos, blass bis leicht bläulich, schlaff und mit veränderter Atmung im Bettchen aufgefunden.

Bei gefährdeten Kindern (siehe Risikogruppen) kann im Schlaflabor (Polysomnographie) durch die simultane Aufzeichnung verschiedener Parameter wie Puls, EKG, EEG, nasaler Luftstrom, Brustkorbbewegungen am schlafenden Kind eine SIDS-Gefährdung festgestellt werden. Bei manchen Kindern können weiterführende Untersuchungen wie Langzeit-EKG, Röntgen, Ösophaguskontrastdarstellung, Schädelultraschall etc. zum Ausschluss anderer Grunderkrankungen notwendig sein.

Während einer lebensbedrohlichen Krise sind Wiederbelebungsmaßnahmen wie Mund-zu-Mund-Beatmung wichtig; oft sind jedoch das Wecken des Kindes und dessen Stimulation ausreichend.

  • Säuglinge, die bereits eine Episode von ALTE durch rechtzeitiges Eingreifen überstanden haben.
  • Das Risiko ist um etwa das Zweieinhalbfache in Familien erhöht, in denen bereits SIDS-Fälle (etwa bei Geschwistern) aufgetreten sind.
  • Kinder, bei denen im Schlaflabor Atemunregelmäßigkeiten festgestellt wurden.
  • Kinder drogenabhängiger Mütter.
  • Kinder mit starkem Untergewicht bei der Geburt.
  • Der früher oft genannte Risikofaktor Frühgeburt taucht in neuen Studien nicht mehr als eigener Faktor auf. Bei Frühgeborenen, die mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm auf die Welt gekommen sind, besteht nur bei zusätzlichen Erkrankungen (z.B. Lungenkrankheiten) ein erhöhtes Risiko.
  • Auch eine verlangsamte Erweckbarkeit aus dem Schlaf, auffallende Bewegungsarmut und hohes, schrilles Schreien sollen mit einem erhöhten Risiko verbunden sein.

Seitdem die Bauchlage beim Schlafenlegen des Säuglings als Risikofaktor erkannt und nicht mehr empfohlen wurde, konnte die Häufigkeit des plötzlichen Kindstods um über 50 Prozent gesenkt werden.

Es sind verschiedene Risikofaktoren bekannt, die das Auftreten eines plötzlichen Kindstods begünstigen:

  • Säuglinge sollten im ersten Lebensjahr in Rückenlage schlafen. Die Bauchlage und möglichst auch die Seitenlage sollte man vermeiden, da sie weniger stabil ist und sich einige Kinder möglicherweise in die Bauchlage rollen können.
  • Der Kopf des Babys sollte nicht durch Bettzeug bedeckt werden können. Es wird empfohlen, den Säugling so zu legen, dass die Füße am Bettende anstehen, um so ein Rutschen unter die Bettdecke zu vermeiden. Verwenden Sie einen Baby-Schlafsack statt einer Decke.
  • Babys sollten nicht auf weichen Unterlagen oder mit Kopfpolster schlafen.
  • Säuglinge sollen im elterlichen Schlafzimmer, aber im eigenen Bett schlafen.
  • Säuglinge und Kinder sollten sowohl vor als auch nach der Geburt in einer rauchfreien Umgebung aufwachsen. Rauchen in der Schwangerschaft beeinträchtigt die Entwicklung des Babys und stellt ein Risiko für den plötzlichen Säuglingstod dar.
  • Raumtemperatur und Bettdecke sollten so gewählt werden, dass es für das Kind angenehm ist, d.h. weder zu warm noch zu kalt. Nach dem ersten Lebensmonat benötigt ein Baby in der Wohnung im Prinzip nicht mehr Bekleidung als ein Erwachsener. Zum Schlafen genügen eine Windel, ein Schlafanzug und eine dünne Decke. Die ideale Raumtemperatur liegt bei etwa 18 Grad. Wärmedecken sind für Babys nicht geeignet.
  • Achten Sie auf versehentlich mögliche Strangulationen durch Schnüre oder Ketten und auf sichere Gitterabstände (4,5 bis 7,5 cm) des Gitterbettes.
  • Wenn möglich, sollte länger als zwei Monate gestillt werden.
  • Impfungen haben keinen Zusammenhang mit der Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes. Eine Studie aus Schweden berichtet nach einer Abnahme der Impfhäufigkeit gegen Keuchhusten über einen Anstieg der SIDS-Rate. Nach Vorziehen dieser Impfung vom dritten auf den zweiten Lebensmonat ging die SIDS-Rate wieder zurück.
  • Schnuller dürften einen positiven Effekt haben, also eine Gefährdung des Kindes vermindern.
  • Eine Schlafüberwachung durch einen Heimmonitor ist nur bei ausgewählten Risikokindern sinnvoll. Die Effektivität des Monitorings ist unbewiesen, da auch moderne Geräte mit intelligenten Algorithmen in der Überwachung Lücken zeigen.
  • Eltern sollten in der Herzmassage und Mund-zu-Mundbeatmung unterrichtet und geübt sein.
  • Eine routinemäßige Untersuchung im Schlaflabor wird nicht empfohlen, sondern sollte sich auf Risikogruppen beschränken.
  • Der plötzliche Kindstod ist nicht ansteckend.
  • Gehen Sie regelmäßig zu den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen!
  • Eine Studie der Universität von Manchester nennt ein bestimmtes Bakterium (Helicobacter pylori) als möglichen Cofaktor.
  • Eine Innsbrucker Forschergruppe hat einen möglichen Zusammenhang zwischen jener Atemschwäche, die zum plötzlichen Kindstod führt, und der angeborenen Überaktivität eines bestimmten Ionenkanals (SK3) in Nervenzellen entdeckt.
  • Gebrauchte Matratzen waren nach einem Bericht von Forschern aus Glasgow im „British Medical Journal“ möglicherweise mitverantwortlich für den plötzlichen Kindstod. Besonders deutlich zeigte sich der Zusammenhang, wenn die Matratzen nicht innerhalb der eigenen Familie „vererbt“ worden waren, sondern von anderen Familien weitergegeben wurden. Im Verdacht standen Bakterien, die in gebrauchten Matratzen in hohen Konzentrationen vorkommen. Diese Untersuchung konnte noch nicht bestätigt werden.
  • Eine spezielle Herzrhythmusstörung (verlängertes QT-Syndrom) wird gehäuft bei SIDS-Opfern vermutet. Überlegungen zu Gemeinsamkeiten mit diesem so genannten Long-QT-Syndrom bieten sich also an. Bei positiver Familienanamnese (SIDS oder QT-Syndrom) erscheint es demnach sinnvoll, EKG-Untersuchungen vorzunehmen und gegebenenfalls eine Therapie einzuleiten.
  • Eine Bonner Medizinergruppe hat Herzgewebeproben untersucht und konnte bei SIDS-Patienten verstärkt Enteroviren nachweisen (Coxsackie-Viren, Parvovirus B19). Von Enteroviren weiß man, dass sie Herzmuskelentzündungen und Herzrhythmusstörungen hervorrufen können.


  • Wenn eine Mutter-Kind-Pass-Untersuchung fällig ist.
  • Wenn das Baby Krankheitszeichen zeigt (z.B. bei Fieber, Durchfall, Atemnot, ...).
  • Wenn das Baby um den Mund oder im gesamten Gesicht blau wird, im Schlaf ungewöhnlich stark schwitzt oder auffallend blass ist.
  • Wenn Sie bei Ihrem Baby im Schlaf Atempausen über 15 Sekunden beobachten sollten.
  • Wenn das Baby häufig erbricht oder Probleme beim Trinken hat.
  • Wenn Sie einen anderen Grund zur Beunruhigung haben.

Überwachungsgeräte, die lediglich die Atmung, nicht aber die Herzfrequenz erfassen, sind als SIDS-Vorbeugung nicht geeignet, da sie eine nicht vorhandene Sicherheit versprechen. Voraussetzung für das Monitoring ist eine gute Einschulung der Eltern und eine kontinuierliche Betreuung durch die SIDS-Beratungsstellen.

  • St.p. ALTE (wenn keine therapierbare Ursache gefunden wurde).
  • Ehemalige Frühgeburten mit Lungenerkrankung und Sauerstoffabhängigkeit (vorrangig Pulsoximeter).
  • Früh- und Neugeborene, die zum Zeitpunkt der Entlassung noch eine auffällige Atmung haben.
  • Bei einem SIDS-Geschwister in einer Familie.
  • Frühgeborene unter 1.500 g Geburtsgewicht.
  • Säuglinge drogenabhängiger Mütter.
  • Bei Krankheitsbildern, die mit einer Störung der Atmung einhergehen, um eine Verschlechterung des klinischen Zustandes rechtzeitig erkennen zu können.
  • Zur Diagnosestellung (z.B. mittels Speichermonitoren).
  • Auf Wunsch der Eltern.

Die folgenden Tipps stellen Empfehlungen dar; bei Problemen sollten Sie sich an Ihren betreuenden Arzt wenden!

  • Stellen Sie bei jedem Alarm zuerst fest, dass bei dem Baby kein ernsthafter Zwischenfall vorliegt.
  • Lesen Sie sich die Gebrauchsanweisung Ihres Monitors gut durch und bestehen Sie auf einer exakten Einschulung.
  • Die Hautstellen, auf denen selbst klebende Elektroden platziert werden sollen, bitte nicht eincremen, nicht einölen und nicht einpudern.
  • Elektroden sollten bei warmem Wetter kühl gelagert werden, da die Funktionstüchtigkeit sonst relativ rasch nachlässt.
  • Wechseln Sie bei Unverträglichkeitsreaktionen häufig die Stellen der Elektroden oder wechseln Sie auf eine andere Herstellerfirma.
  • Der Monitor sollte nicht auf Fernsehern, Computern oder anderen strahlenden Geräten stehen.
  • Lassen Sie bei häufigen Alarmen einen Arzt die Grenzwerte überprüfen.
  • Die Elektroden sollten in ausreichendem Abstand kleben.
  • Ein Nachtlicht in der Nähe des Babybettes erleichtert im Alarmfall die Beobachtung des Säuglings.
  • Um einer eventuellen Strangulationsgefahr vorzubeugen, sollte bei Säuglingen das Elektrodenkabel unter einem Arm oder einem Hosenbein aus der Strampelhose herausgeleitet werden.

Mit dem Ziel, die SIDS-Inzidenz in Wien weiter zu senken, haben die Wiener Kinderspitäler eigene SIDS-Beratungsstellen eingerichtet. Die Plakattexte: „Ich mag Rückenlage“, Ich stehe auf rauchfrei“ usw. sollen signalisieren, dass das Eingehen auf ganz natürliche Bedürfnisse von Säuglingen Leben retten kann. Es wurden in Wien vier SIDS-Beratungsstellen an den Wiener Kinderkliniken (Kinderklinik AKH Wien, Preyer’sches Kinderspital, Kinderklinik Glanzing und Kinderabteilung des SMZ-Ost) eingerichtet, die für Fragen zur Verfügung stehen.

In der Steiermark konnten durch Einführung eines SIDS-Fragebogens zum Herausfinden der Risikogruppen die SIDS-Todesfälle um 50 Prozent reduziert werden konnten, die jedoch vor allem aus der Gruppe kamen, die durch den Fragebogen nicht erfasst wurde.

Wenn ein zuvor offensichtlich gesundes Baby unerwartet stirbt, ist das Ereignis ein furchtbarer Schock für alle Beteiligten. Die Eltern können sich schuldig fühlen; manchmal wird die Schuld auch beim Partner oder beim betreuenden Kinderarzt gesucht. Schuldgefühle sind eine ganz natürliche Reaktion, auch wenn sie völlig unbegründet sind. SIDS ist ein schicksalhaftes Ereignis.

Die hinterbliebenen Geschwister sollten jedenfalls unabhängig von ihrem Alter über das Ereignis aufgeklärt werden. Eltern, die ihr Kind durch SIDS verloren haben, sind doppelt belastet: Da die Todesursache keine natürliche ist, wird eine Befragung der betroffenen Eltern durch die Exekutive durchgeführt und es wird eine Untersuchung durch Ärzte an einem gerichtsmedizinischen Institut durchgeführt. Das ist natürlich eine schreckliche Vorstellung für die Eltern. Aber nur durch diese Vorgangsweise ist es möglich, eine genaue Diagnose zu erstellen und dadurch die Möglichkeit zu bekommen, Vorkehrungen im Interesse der Angehörigen treffen zu können (zum Beispiel um eine andere Ursache wie ansteckende Infektionskrankheiten oder angeborene Stoffwechselstörungen ausschließen zu können).

Bitte wenden Sie sich im Falle eines derartigen tragischen Ereignisses an eine Selbsthilfegruppe oder ein Zentrum für SIDS-Vorsorge.

Selbsthilfegruppen und psychologische Betreuung in Österreich

Wien: SIDS Austria, Tel.: (01) 804 53 91, mobil 0676 - 730 3430

Wien: IPZ, Tel.: Tel.: 406-66-0213

Steiermark: SIDS Autria, Tel.: 0316/380-4289

Tirol: SIDS Tirol, Tel.: Hr. Wurzrainer 0664/ 2005206

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